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65. Wechselgespräch: Lernquartier – Schule als hybrider Stadtraum

16. November 2023

Vom Abzäunen, Aufmachen und sich begegnen

Bildungspolitischen Debatten in Deutschland mangelt es selten an staatstragenden Bekenntnissen. Die Schule sei der Ort, an dem sich unsere Zukunft entscheide. Geht es um die Räume, in denen diese Zukunft eingeübt werden soll, geht der Blick ins Ausland. Das 65. BDA-Wechselgespräch diskutierte die Öffnung der Schulen ins Quartier.

Julian Weyer, Partner im Büro C.F. Møller Architekten, plädierte in seinem Impuls für Dialog und Vernetzung. Würde Architektur, wie in Skandinavien, als soziales Werkzeug verstanden, begünstige dies den Bau offener Gebäude. Endlose Flure mit verschlossenen Türen suchte man in seinem Vortrag vergebens. Stattdessen: Begegnungsorte, multifunktionale Cluster mit Räumen, die sich zuschalten lassen und außerhalb des Lehrbetriebs als Treffpunkte für Vereine dienen.

Roland Hatz, Abteilungsleiter für Schulbau der Stadt Frankfurt am Main, verwies auf die von den Nazis zerstörte Tradition des Reformschulbaus. Beispielhaft umgesetzt 1927 von Stadtbaudirektor Martin Elsaesser in der Pestalozzischule. Im Dialog mit der Stadtgesellschaft nehme die Verwaltung diese Tradition aktuell wieder auf. Kriterien seien die Öffnung der Gebäude zum Viertel und eine größtmögliche Multifunktionalität der Räume. In Kooperation mit der Montag Stiftung entstünde so beispielsweise das Pilotprojekt der Integrierten Gesamtschule Süd in Sachsenhausen.

Für eine entschieden an der Wissensgesellschaft orientierte zeitgenössische Pädagogik plädierte Anna Popelka (PPAG Architekten). Inklusion, Wahlfreiheit, kritische Aneignung und individuelle Förderung finden ihre räumliche Entsprechung beim Wiener Büro in multicodierten Clustern, Gemeinschaftsgärten und einer konsequenten Durchlässigkeit der Gebäude zur Stadt. So entsteht in Berlin die Allee der Kosmonauten, bei der sich fünf „Compartments“ um eine zentrale Piazza, Werkräume und Sporthallen herum anordnen, die auch für außerschulische Nutzungen offenstehen.

Das von Hannah Pinell (IBA’27) moderierte Gespräch fokussierte einmal mehr auf die Überwindung der Trennungen der städtebaulichen Moderne. Um Bildungsorte für eine diverse Gesellschaft zu bauen, bedürfe es des Gesprächs zwischen sämtlichen Akteuren aus Pädagogik, Verwaltung, Planung und Zivilgesellschaft. Veränderte, an Mischnutzung ausgerichtete Förderprogramme und die herbeigesehnte Deregulierung der Bauvorschriften, so die Runde abschließend, könnten helfen, um zur Lust auf Schule zurückzufinden.

Markus Bauer